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Flackernde Flammen waren durch die Fenster des Kruges zu sehen, diese jedoch schreckten die Besucher nicht ab, sondern luden sie ein. Kerzenschein und weihnachtlich dekorierte Tische, mit allerhand Leckereien, ein geschmückter Tannenbaum und der Duft nach frisch gebrühtem Kaffee, das enge Beieinander der über vierzig Gäste schufen eine Atmosphäre wie bei einer Weihnachtsfeier einer großen Familie. Obwohl dort nicht die Oberhäupter der Familie Platz genommen hatten, schien ein Tisch besonders privilegiert, denn hier verbreiteten echte Kerzen das einzig flackernde Licht.

Gleich zu Beginn der Feier erhielten Frau Andrae und Helfer viel Beifall für die liebevoll ausgestaltete gute Stube des Alten Kruges, da war die Stolle noch nicht einmal angeschnitten und die selbstgebackenen Pfannkuch von Frau Irene Kniesegk, der Gewinnerin des diesjährigen Kuchenwettbewerbes, noch nicht verteilt.

Stimmengewirr erfüllte bei Kaffee, Stolle und Pfannkuchen bald den Raum. „Weißt du noch …?“ war die oft gestellte Eingangsfrage, denn die Gäste brachten viel Lebenserfahrung mit und manche dieser Erfahrung hatte der eine oder anderen mit dem Einen oder Anderen geteilt.

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Endlich Kaffee, lang ersehnt, heiß erfleht Der unspektakulär feierliche Stollenanschnitt

Über viel Lebenserfahrung verfügte auch der Überraschungsgast des Abends, Herr Michael Kuss. Heute und das hat er mit vielen Mitgliedern des Heimatvereins gemeinsam genießt er seinen Unruhestand. „Michael Kuss lebte und arbeitete zahlreiche Jahre in verschiedenen Ländern; teils als Journalist und Reporter, teils als Sozialarbeiter und Streetworker mit Obdachlosen und Menschen und Menschen mit sozialen und psychischen Problemen“, heiß es in der Vorbemerkung seines Büchlein „Und das am Heiligabend“.

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Michael Kuss: "Und das am Heiligabend"

Bei seinen beiden vorgetragenen Geschichten „Und das am Heiligabend“ und „Das Bayrische Weihnachtsessen“ verstummte das Stimmengewirr im Raum und eine nachdenkliche Ruhe kehrte ein. In der ersten Geschichte hält sich eine Obdachlose in der Weihnachtszeit in der Straße einer eher wohlhabenden Gegend auf. Einem Mitbewohner dieser Straße bringt ihr ab und zu Essen und Kleidung, aber nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass die Nachbarn nichts davon bemerkten, wie er der Frau mit den fettigen Haarsträhnen und aufgedunsen Bauch seine Gaben überbrachte.

Lange grübelt er am Heiligabend, ob er die Frau doch hereinbitten sollte. Am Morgen war die hochschwangere Frau tot, ihr Kind aber konnte gerettet werden.

In der zweiten Geschichte, die weitgehend autobiographisch geschrieben ist, beschreibt er eine Begebenheit aus seiner Kindheit, wie er und seine Mutter aus dem ausgebombten Heim über Land zogen, um alles Mögliche gegen Nahrungsmittel einzutauschen. Doch dieses Mal hatten sie nur Kippentabak zu bieten, da Onkel Tom nicht mehr regelmäßig für eine Stunde seine Mutter besuchte.

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Herr Thonke als Glücksfee

Im katholischen Bayern war die christliche Nächstenliebe selbst am Heiligabend sehr in Frage gestellt, bis ihnen dann doch die Tochter der Familie heimlich einen Beutel mit Nahrungsmittel übergab und eine Schlafgelegenheit auf dem Stroh im Stall anbot.

Schließlich las Michael Kuss, der gebürtige Hesse noch ein Gesicht seines Freundes eines ehemaligen Lehrers in der DDR, Ernst Bürger.

 

Erst nach einer Weile kehrte das Stimmengewirr in den Raum zurück. Für die Tombola bestimmte die Vereinschefin Herrn Thonke als Glücksfee. Er und seine Frau stellten an diesem Abend den Antrag, Mitglied im Heimatverein zu werden.

Mit Kartoffelsalat und Würstchen hielt der Abend Einzug. Dazu auch noch das würzige Wildschmalz von Klaus Voeckler.

Eine rundum gelungene Adventsfeier. Ein großes Dankeschön an alle, die dazu beigetragen haben.

Text und Fotos: Dr. Rainer Reinecke

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